Vergessene Weinsorten reüssieren

Der Gelbe Orlean ist ein Beispiel für eine Traube, die in Vergessenheit geriet und nun reüssiert. Ihr Wein ist Bestandteil des Gemischten Satzes, um den sich die Winzer des Rheingaus verdient gemacht haben.

Trend in der Kultur von Wein ist Individualität und Tradition. Ursache hierfür könnte sein, daß Connaisseure es satt haben, immer wieder die gleichen, langweiligen Weine zu kosten, die sich nur in der Farbe ihrer Verpackung unterscheiden. Irgendwann reichte es nicht mehr, einfach nur ein weiterer Chardonnay zu sein. Statt nach der „optimierten" Version eines globalen Stils, wird eher nach Weinen mit einer „authentischen" Identität gefragt, und die Phantasie will sich an der Herkunft entzünden.

Die beeindruckende Vielfalt des Planeten Wein war auf der jüngsten ProWein in Düsseldorf deutlicher als jemals zuvor zu erleben. Regionalität ist - von den ganz großen Marken einmal abgesehen - essentiell und gilt als cool und hip. Die neue Frische animiert nicht nur zu klaren, knackigen Aromen, sondern hebt auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Rebsorten und Regionen hervor.

Als Reaktion auf die Wünsche der Konsumenten und den durch das Klima verursachte Druck haben Winzer begonnen, vergessene Rebsorten und Weinbaumethoden zu reaktivieren. Die 13 international wichtigsten Rebsorten machen zwar immer noch ein Drittel aller Pflanzungen auf dem Planet Wein aus (an der Spitze die beeindruckenden 9% Rebfläche, die von Cabernet Sauvignon eingenommen werden), das Interesse an alten und autochthonen Rebsorten wächst jedoch. Beispiele sind rund um den Globus in jedem Weinbaugebiet zu finden: von Italien (Frappato, Teroldego) nach Portugal (Boal, Bastardo), in die Vereinigten Staaten (Petit Sirah) und bis nach Argentinien (Torrontés).

Wo man bei renommiertesten Rebsorten bleibt, wird verstärkt mit regionalen Klonen gearbeitet, die entsprechend ihrer Kompatibilität mit den jeweiligen Wachstumsbedingungen ausgewählt werden. Immer mehr Winzer bauen wieder Rebsorten an, die in der Vergangenheit zugunsten einer Handvoll internationaler Klischees gerodet wurden.

Sehen wir uns die Renaissance von Chenin Blanc an: Einst von Winzern als Rebsorte verachtet, weil sie hohe Erträge erbringt, ansonsten jedoch ein relativ glanzloses Getränk ergab, ist sie aktuell der Liebling der Branche im Premium-Wein-Segment. Man macht aus ihr Schaumweine, knochentrockene oder honigsüße Weine. Antrieb für das weltweite Revival dieser Traube war ein Doppel-Generator: Südafrika und das Weinbaugebiet Loire. In Südafrika profitierte Chenin Blanc vom Erfindungsreichtum südafrikanischer Weinproduzenten wie Chris Mullineux und Eben Sadie von Avondale Wines, die damit anfingen, komplexe trockene Weine von alten Reben aus Buscherziehung zu produzieren. In der „Alten Welt“, im Loiretal, eröffnete man neue Möglichkeiten durch (Retro)Innovationen. Gespeist wurde hiervon die Naturwein-Bewegung, angeführt von Koryphäen wie Domaine Chavet und Nicolas Joly.

Die steigende Wertschätzung von Authentizität und Einzigartigkeit öffnete außerdem Stilen und Rebsorten die Türen, die vorher als zu leicht oder zu unvorhersehbar galten. Lange hatte zum Beispiel Beaujolais keine Chance, mit dem Volumen und der Wucht kalifornischer Cabs mitzuhalten. Auch galt Gamay als schwarzes Schaf aus Burgund und wurde neben dem noblen Pinot Noir als von Natur aus weniger wertig angesehen. Doch was Gamay an Kraft fehlt, kann die Rebsorte in Finesse wettmachen. Mit Erdbeernoten, klarer Säure, sanften Tanninen und unverkennbaren Terroirs, erleben Beaujolais Cru-Weine derzeit ein Comeback.

Aktuelle Exportzahlen, herausgegeben von Inter Beaujolais, belegen einen Volumenanstieg von ca. 30%. Alleine die Exporte in die USA haben sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Die Weine der Region bieten die Dreifaltigkeit dessen, was bei modernen Sommelieren ankommt: Originalität, Geschichte und Wert.

Ein wesentlicher Bestandteil der Produktion war, daß Individualität und Regionalcharakter als Problem gesehen wurde, das es zu lösen galt. Die Produzenten von Naturweinen drehen diesen jetzt Spieß um und ziehen die wiederentdeckten Weinbau- und Produktionsmethoden ihrer Vorfahren vor. Zu den offensichtlichsten Beispielen hierfür gehört die Abwendung von kleinen Barriques und die Zuwendung zum Einsatz größerer Eichenfässer mit nur geringem bzw. keinem Anteil an neuem Holz - eine Bewegung, die selbst traditionsreiche Regionen wie die Toscana erreicht. Auf dem Planet Wein wird die Rückkehr zu Weinbaumethoden, die ein unverkennbares Geschmacksprofil der regionalen Charakteristiken begünstigen, von der jüngeren Generation angeführt - von denen, die aus erster Hand viel mehr internationale Erfahrungen sammeln konnten als die Generationen zuvor. Diese können auf Tradition ohne schlechtes Gewissen bauen. Sie verbinden diese mit der Absicht, gut mit dem Terroir umzugehen, bevorzugen minimalistischen Eingriffe im Keller und werden dann mit mehr Eigenheiten im fertigen Wein belohnt.

Auch die gut durchdachten Marketing-Strategien dieser Generation, Eigenarten und Geschichte ihrer Produkte zu feiern (und zu verkaufen!) spielt eine Rolle. Das Endergebnis: Kunden werden gut behandelt mit Weinen, die alles andere sind als austauschbar.
Quelle: Neue Fakten hotelintern (NFh) Nr. 03/18




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