Fehlende Elementarschadenversicherung

Dr. Johannes Fiala

Die jüngsten Unwetterkatastrophen in NRW und Rheinland-Pfalz haben die Elementarschadenversicherung, häufig auch die fehlende, in das Blickfeld gerückt. Dr. Johannes Fiala* beschäftigt sich in einem Gastbetrag mit der Problematik und zeigt, wie gefährlich Makler und Versicherungsvertreter leben, aber auch andere.

Eine seriöse Schätzung geht davon aus, dass bis zu 99% aller Gebäude in Hochwassergebieten versicherbar gewesen wären, aber nur etwa 45 % der Gebäude sind gegen Elementarschäden wie Starkregen, Überflutung, oder auch Erdbeben tatsächlich versichert. Warum ist das so?

Den Versicherungsvermittler treffen umfassende Beratungspflichten. Wurde keine Elementarschadenversicherung vermittelt, aber vielleicht anderer, üblicher Versicherungsschutz für ein Gebäude (z.B. Haftpflicht-, Sturm-, Brand-, Hagel, Rechtsschutz-, Leitungswasser-Versicherung), wird – falls es zum Prozess kommt - jeder Richter fragen, ob der Versicherungskunde vor seiner Entscheidung gegen eine Elementarversicherung vom Vermittler korrekt beraten wurde. Fragebögen nach dem Motto „Welches Schweinderl hätten´s denn gern?“, auch solche im Internet, können eine qualifizierte vollständige Beratung nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 10.03.2016, Az. I ZR 147/14).

Eine Fallvariante beim Fragebogen mit folgender Vermittlerhaftung ist die Unterversicherung. Die Sparsamkeit des Kunden ist für sich genommen noch kein Grund, dass eine Elementarschadenversicherung ausscheidet. Vielmehr hat der Vermittler nach Alternativen zu suchen, etwa indem für alle Gebäude-Versicherungsbausteine ein entsprechend höherer Selbstbehalt zur Prämienreduzierung angeboten wird. Selbst bei KFZ-Versicherung u.a. könnte alternativ stattdessen gespart werden.

Wer eine mögliche Elementarschadenversicherung nicht abgeschlossen hatte, muss sogar damit rechnen, dass staatliche Hilfsgelder deshalb um die Hälfte gekürzt werden – auch dies ein geltend zu machender Schaden.

Betriebe zahlreicher Versicherungsmakler sind so klein, dass diese keine direkte Anbindung für eine Zusammenarbeit mit allen Versicherern erhalten. Dann weichen diese auf sprichwörtliche Versicherungsgroßmärkte aus, insbesondere sogenannte Pools und Einkaufsgenossenschaften. Diese haben dann jedoch auch nur eine eingeschränkte Palette von Versicherern bzw. Tarifen im Angebot. Auch wird häufig unterlassen, günstige Versicherer aus dem Ausland anzubieten.

Auf diese dann eingeschränkte Beratungsgrundlage hat der Makler von Anfang an hinzuweisen – gem. § 60 Abs 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unter genauer Nennung seiner eingeschränkten Marktgrundlage. Vielleicht hätte es ja woanders eine passendere und/oder günstigere Versicherungsdeckung gegeben, für deren Fehlen daher nun der Makler haftet.

Ein anderer Fall: Hätte gar keine Elementarschadenversicherung vermittelt werden können? Dann könnte der Maklerkunde seinen Schaden auch daraus herleiten, dass er - wenn der Makler ihn auf diese wegen des zu hohen Risikos unversicherbare Lücke hingewiesen hätte - seine Immobilie verkauft hätte, um eine neue auf sicherem Grundstück zu erwerben. Es genügt weder der Hinweis auf Lücken im bestehenden Vertrag, wenn beraten wird, noch genügt der Ratschlag alle Risiken zu versichern. Vielmehr hat der Versicherungsmakler das zu versichernde Objekt selbst zu überprüfen

Überhaupt darf der Makler keine sachwidrigen Weisungen des Kunden akzeptieren, wenn dieser ihn vielleicht nicht richtig verstanden hat bzw. mangels ausreichender Beratung noch gar keine ausreichende Entscheidungsgrundlage besitzt. Auch für den (weitergehenden) Verzicht auf eine (ggf. Teil-)Beratung benötigt der durchschnittliche Versicherungskunde eine qualifizierte Entscheidungsgrundlage – widrigenfalls der Makler sachwidriges Verhalten akzeptiert; und damit dem Grund nach ebenfalls haftet.

Eine einmalige Beratung genügt nicht, denn der Versicherungsmakler hat das Versicherungsobjekt im Auge zu behalten, und bei Veränderungen auf risikogerechte Anpassungen hinzuwirken (BGH, Urteil vom 5. April 1967 – Ib ZR 56/65, VersR 1967, 686). Auch über eine später neu hinzukommende Versicherbarkeit ist zu beraten. Es versteht sich, dass eine Umdeckung etwa einer früheren Elementarschaden-Pflichtversicherung in eine Gebäudeversicherung ohne solche Absicherung zur Haftung führen wird. Wiederholt stellen Kunden fest, dass ihr „Betreuer“ in Versicherungsfragen das Kleingedruckte, also die Versicherungsbedingungen noch nie gründlich studiert hatten. Rechtliche Feinheiten kommen auf, wenn der Versicherer nach einem Hochwasser etwa meint, nur Starkregen sei versichert – und ankündigt ohne vorherige Klage keine Leistung zu erbringen.

Wie soll ein Versicherungskunde als Laie rechtlich den Unterschied zwischen Starkregen, Flut und Überschwemmung oder Rückstau begrifflich ohne Beratung erfassen?

Auch wer meint, wegen fehlender frühzeitiger Unwetterwarnung durch den Staat, oder etwa unterlassenem Ablaufenlassens von Wasser in Rückhaltebecken bzw. Talsperren, sich durch Betreiber geschädigt fühlt, wird erfahren dass eine Staatshaftung meist voraussetzt, dass niemand sonst haftet.

Ein ehemaliger Justizminister hat durch ein Fachinstitut ermitteln lassen, das seinerzeit rund 85% der Versicherungsvermittler (Makler und Agenten) dem Kunden vor seiner Entscheidung keine Beratungsdokumentation ausgehändigt hatten.

Sinn und Zweck dieser Pflicht nach der sogenannten EU-Vermittler-Richtlinie (gültig seit 21.05.07) ist es dem Kunden zu ermöglichen, vor dem Abschluss der Versicherung, alle Gründe und Empfehlungen vor seiner Entscheidung genau zu prüfen. Daher nützt es nichts, wenn solche Dokumente nachträglich zugeleitet werden – es entscheidet vielmehr der Inhalt der Dokumentation und die rechtzeitige Übergabe.
Makler besitzen eine entsprechende Haftpflichtversicherung für solche Beratungsfehler. Für Agenten haftet regelmäßig der von ihnen vertretene Versicherer mit, den nach VVG auch selbst bei Erkennbarkeit eines Beratungsbedarfs – etwa wegen Fehlen der Elementarschadenversicherung – eine eigene Beratungspflicht gem. § 6 VVG trifft.

Die Dokumentation ist später der beste Beweis für die Beratungslücke, also Fehlberatung und Vermittlerhaftung, wenn sie z.B. wie oft formularmäßig floskelhaft und nichtssagend ist. Fehlt die Dokumentation komplett, oder kann der Vermittler die rechtzeitige Übergabe an den Versicherungskunden nicht beweisen, führt dies bis hin zur Beweislastumkehr (BGH, Urteil vom 13.11.2014, Az. III ZR 544/13).

Die unterlassene Dokumentation ist dann also noch kein Beweis - sie führt nur dazu, dass der Versicherungsnehmer die bestimmte Falschberatung zunächst nur konkret behaupten muss, und dann der Makler/Agent die Beweislast trägt, dass er korrekt beraten hat, wozu weder reicht, dass er die Elementarschadenversicherung angeboten, noch dass er dringend zu ihr geraten hat. Vielmehr muss er die Folgen deren Fehlens drastisch vor Augen geführt haben und wirklich alle Möglichkeiten, sie irgendwie zu ermöglichen, genau geprüft und erläutert haben.

* Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).




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