Verlustvorträge sollen nicht einfach untergehen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dem Gesetzgeber eine Hausaufgabe für die kommende Periode aufgetragen. Mit Beschluß vom 12.05.17 hat das Gericht entschieden, daß die Regelung zum Untergang von Verlustvorträgen bei Körperschaften (§ 8c KStG) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1) nicht vereinbar ist. Der auch vom DIHK gelegentlich kritisierte § 8c KStG sieht vor, daß bei einem sogenannten schädlichen Beteiligungserwerb die bis zur Übertragung aufgelaufenen Verluste steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden. Als „schädlich“ gilt ein Erwerb, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% des gezeichneten Kapitals an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber unmittelbar übertragen werden.
Das Gericht bemängelt, daß die Regelung ein zentrales Steuerprinzip nicht berücksichtigt. Es orientiere die Steuerbelastung nicht an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft. Mit § 8c KStG tritt ein anteiliger Untergang bisher nicht genutzter Verluste ein, obwohl sich durch die Anteilsübertragung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nichts geändert hat. Es fehle damit an einem sachlich einleuchtenden Grund für eine mit der Verlustabzugsbeschränkung eintretende Ungleichbehandlung.
Eingeführt wurde die gesetzliche Regelung des § 8c Satz 1 KStG mit dem Ziel, unerwünschte Steuergestaltungen zu bekämpfen. Die Regelung zielte insbesondere darauf ab, den Handel mit vortragsfähigen Verlusten – bei sog. Mantelkäufe – einzudämmen. Im Fall von § 8c KStG bedeutet dies, daß allein die Übertragung von mehr als 25 Prozent der Anteile einer Kapitalgesellschaft für sich genommen noch keine mißbräuchliche Gestaltung darstellt.
Nach der Auffassung der Richter sind auch in Bezug auf eine Änderung der wirtschaftlichen Identität der Verlustgesellschaft die Grenzen der Typisierungsbefugnis überschritten. Denn mit einem 25 %igen Anteil ist zwar gesellschaftsrechtlich eine Sperrminorität verbunden, diese ermöglicht aber allenfalls mittelbar ein aktives Mitgestalten durch den Minderheitsgesellschafter. Nur ein Mehrheitsgesellschafter, der über mindestens 50% der Anteile verfügt, kann in eigener Regie die Identität einer Gesellschaft ändern.
Aus Sicht der Wirtschaft sollte die Steuergesetzgebung konsequenter dem Nettoprinzip und damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgen. Zunehmend werden steuerrechtliche Regelungen mit dem Ziel der Mißbrauchsverhinderung eingeführt. Dabei wird in Kauf genommen, daß die Besteuerung dann nicht mehr konsequent nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erfolgt. Das trifft u. a. auf die gerade erst eingeführte Lizenzschranke und die Mindestgewinnbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG zu.
Eine Entschärfung nicht nur bei § 8c KStG sondern insgesamt bei der Kostenbesteuerung würde zugleich die Steuergesetzgebung vereinfachen, Unternehmen und Finanzverwaltung gleichermaßen entlasten und letztlich den Standort wettbewerbsfähiger machen, sagt der Deutsche Industrie- und Handelkammertag.
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