Unfrei und risikolos?

Der Chef des Verbandes der Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, wendet sich in einem Interview gegen vorschnelle Annahmen der Rechtmäßigkeit von Corona-Maßnahmen.

Seegmüller erklärt, er könne „nur davor warnen, aus den Eilrechtsschutzverfahren und deren Ergebnissen zu schließen, dass alle Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt waren“. Vielmehr müsse die Exekutive eine sorgsame Abwägung über mehrere Stufen vornehmen. Eine Maßnahme müsse nicht nur einen legitimen Zweck verfolgen, wie etwa den Infektionsschutz, sie müsse zudem „geeignet, erforderlich und angemessen sein.“

Möglicherweise würden die Höchstgerichte sich sogar mit der Frage befassen müssen, ob so weitreichende Ausgangssperren, wie sie über mehrere Wochen in Kraft waren, nicht als „Freiheitsentzug“ gemäß Art. 104 Abs. 2 GG zu werten und unter Richtervorbehalt gestellt werden müssten.

Die Verfassung, so Seegmüller, gelte auch in der Krise. Und entgegen der Kritik der Bundeskanzlerin an „Öffnungsdiskussionsorgien“ enthalte das Grundgesetz eine Freiheitsvermutung für den Einzelnen: Deshalb muss die Exekutive immer in den Blick nehmen, dass der Freiheitsgebrauch die Regel und ihre Einschränkung die Ausnahme ist. Dem Freiheitsgebrauch ist die Inkaufnahme und die Verwirklichung von Risiken immanent.“ Einschränkungen seien zudem selbst dann, wenn sie gerechtfertigt seien, nicht statisch. Der Staat müsse zu jeder Zeit darlegen, warum Maßnahmen weiterhin gerechtfertigt sind. Deswegen sei er auch nicht frei bei der Gestaltung der Öffnung oder Lockerung, war vorab in NFh Nr. 05/20 zu lesen.




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