Keine Hygienemängel mehr auf dem Internetpranger
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat aufgrund erheblicher Bedenken der Landeshauptstadt München vorläufig untersagt, bei Kontrollen festgestellte lebensmittel- bzw. hygienerechtliche Mängel im Internet zu veröffentlichen. Münchener Gastronomiebetriebe hatten sich vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen die Veröffentlichung der bei Kontrollen festgestellten Mängel zur Wehr gesetzt. Die Beschwerden der Landeshauptstadt München gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München wurden vom BayVGH in allen Verfahren zurückgewiesen.
Der BayVGH hat erhebliche Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung. Zum Schutz der Rechte der Antragsteller erscheint es nach Auffassung des Senats deshalb geboten, die Internet-Veröffentlichung vorläufig zu untersagen. Nach einer Vorschrift aus dem deutschen Lebensmittelrecht informiert die Behörde die Öffentlichkeit u.a. dann, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften verstoßen wurde, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens € 350,- zu erwarten ist.
Nach Auffassung des BayVGH bestehen Zweifel an der Europarechtskonformität dieser Vorschrift, denn nach Europarecht sei eine Information der Öffentlichkeit nur bei einem hinreichenden Verdacht eines Gesundheitsrisikos zulässig, die nationale Vorschrift habe hingegen eine deutlich über die Warnung vor Gesundheitsgefahren hinausgehende, generalpräventive Zielsetzung. Zudem hat der Senat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, u.a. weil angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen der gesetzlich vorgesehene Schwellenwert von nur € 350,- für das prognostizierte Bußgeld unverhältnismäßig gering erscheine. Bedenken bestünden auch hinsichtlich der Erforderlichkeit der Veröffentlichung im Internet, denn die Mängel seien zum Veröffentlichungszeitpunkt häufig bereits behoben. Schließlich sei zweifelhaft, ob die Norm ausreichend bestimmt sei.
„Die rechtliche Einschätzung des Gerichtshofs bestätigt eins zu eins unsere rechtliche Einschätzung, auf die wir bereits im Vorfeld des Inkrafttretens der Vorschrift hingewiesen und auf deren wirtschaftlichen Folgen wir eindringlich aufmerksam gemacht haben“, so Ulrich N. Brandl, der Präsident des Landesverbands Bayern im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband.: „Jetzt stellt sich die Frage: Wer trägt den Schaden für die zu Unrecht an den Pranger gestellten Betriebe?“
Die Landeshauptstadt hat umgehend reagiert und veröffentlicht auf www.lgl.bayern.de keine festgestellten Mängel mehr.
Das ist zwar in erster Linie eine bayerische Angelegenheit, strahlt aber natürlich bundesweit aus. Berlin hat einen Internetpranger und die nordrheinwestfälische Landesregierung hat sich schon öfter in dem Sinne geäußert, daß man so etwas auch in NRW einrichten wolle. Inwieweit das nun obsolet ist oder ob man stichfestere gesetzliche Grundlagen schafft, wird sich erweisen.
Die Beschlüsse des BayVGH sind unanfechtbar.
(Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschlüsse vom 18. 03. 13, veröffentlicht am 25.03.13,Az. 9 CE 12.2755 u.a.).
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